Mein Ferrari fährt 210, die Polizei hat es nicht geseh’n…
Tuesday, January 23rd, 2007 | Author: Christian
Theoretisch.
Theoretisch fährt mein (naja, kein Ferrari, aber mithin auch rot) Automobil auch bis zu 210. Natürlich nicht bergauf. Aber in der Ebene. Theoretisch. Praktisch stand ich gestern Abend wie tausende Leidensgenossen um die 210 Minuten im Stau. Dreieinhalb Stunden. Bei Temperaturen um und kurz unter dem Gefrierpunkt von Wasser. Auf der A3, Köln-Frankfurt zwischen den Anschlussstellen Bad Honnef/Linz und Dierdorf. Es war herrlich. Erst gings langsam, dann gar nicht mehr. lokalen Radiosender gesucht, Verkehrsnachrichten gehört, verzweifelt. 17:30 der erste Stillstand, da waren es laut Radio schon 10 km Stau. Vollsperrung. Es wurde empfohlen die U(mleitung) 4 zu benutzen. Ja…tolll
Nacheinander gingen die Autos um mich herum aus und die Lichter erloschen. Mein Auto war ziemlich schnell aus, das Licht nicht. Die Lichtautomatik glaubte fest an die herrschende Dunkelheit und leuchtete in preußischer Pflichterfüllung tapfer weiter. Sie lässt das Licht und damit auch die Batterie erst wegtreten wenn die Fahrertür eröffnet wird und der Fahrer aussteigt. In der Theorie. Wenn der Fahrer aber nicht aussteigen will, bleibt es hell. Irgendwann überwand ich mich dann doch die Türverriegelung kurz zu lösen um die Batterie nicht zu strapazieren. Ein Schwall kalter Luft quoll mir entgegen und ließ mich frösteln. Ja, ich wusste warum ich mich so lange gescheut hatte, die Tür zu öffnen.
Und dann verging die Zeit. Quälend und elend langsam, aber sie verging. Gattin informiert, aus Langeweile Eltern angerufen (T-Mobile Max – kostenlos netzintern und ins deutsche Festnetz telephonieren Hoffentlich ist die Tarifumstellung schon aktenkundig…ich scheue mich noch immer vor der exzessiven Nutzung dieser kostenlosen Verbindungen. Wenn ich die erste Rechnung ohne Mehrkosten sehe, bin ich beruhigt. ).
Am Radio rumgespielt. Alle Knöpfe die das Automobil da so hat, gedrückt. Gelangweilt. CD-Taschen aus der vorderen Mittelarmlehne durchgeschaut. Alizeé, Kill Bill OST, Schandmaul , CCR…, Langeweile.
Dann erinnerte ich mich des halb durchgelesenen Aufmachers in meiner Tasche. Unmittelbar darauf erinnerte ich mich an den Aufenthaltsort der Tasche. Der Kofferraum. Sie stabilisierte dort drei Kisten mit dienstlichen Unterlagen die ich von einem Kollegen zum Transport erhalten hatte und die ohne die zumindest ansatzweise Füllung des Kofferraumes durch besagte Tasche, meine Jack inklusive Schal, dem Verbandkasten, einem halbvollen Kanister Scheibenfrostschutzzeug und einem Kamerastativ, heillos umhergeflogen wären.
Bereits nach einer halben Stunde des Zögerns überwand ich mich auszusteigen, in der Kälte zur Heckklappe zu tapplen, selbige zu eröffnen um das Buch hervorzuholen. Ein dünnes Paperback und schon halb durchgelesen. Die schiere Dauer der Vollsperrung derer ich durch die schiere Länge des Staus nicht ansichtig wurde, triumphierte nicht sehr viel später über das Buch. Zwischenzeitlich gerieten immer mehr (männliche) Staukollegen in körperliche (und vielleicht auch seelische) Nöte und mussten sich vor aller Augen in Richtung Mittelleitplanke oder Standstreifen erleichtern. Es war zum Glück hinreichend dunkel, allein an der Gestik konnte man die Urinabsonderer zweifelsfrei als solche identifizieren. Es war nicht schön.
Irgendwann glich sich die Temperatur innerhalb des Fahrzeuges immer stärker der außerhalb herrschenden an. Und die außerhalb war nicht eben durch eine größere Höhe gekennzeichnet. Kupplung getreten, Start/Stop-Knopf gedrückt und der Diesel dieselte bösartig grummelnd los. Er nahm es mir übel aus seinem Kälteschlaf geweckt zu werden. So übel wie ich der zunehmenden Kälte ihre Existenz nahm. Mit dem Motor erwachte auch der Computer zu neuem Leben, rieb sich den Lichtsensor und blinzelte in die Dunkelheit. Selbige beursachte dann auch sofort eine gleißende Illumination des vor mir parkenden 3er-Touring-Modells.
Der hohe Wirkungsgrad des verwendeten Dieselmotors mühte sich nach Kräften mich weiter frieren zu lassen. Es dauerte entsprechend auch eine ganze Weile bis mir wieder warm wurde. Auch das war nicht schön.
TomTom korrigierte meine voraussichtliche Ankunftszeit ständig. Nach oben selbstverfreilich. Mit der Hoffnung gestartet, nach der Ankunft in der neuen Wohnung die Wände noch mit harten, rotierenden Gegenständen penetrieren zu können, erreichte die prognostizierte Ankunfstzeit die 20-Uhr-Marke. Adios Bohrmaschine, dachte ich. Hab Geduld, Spiegelschrank. Du wirst noch mindestens einen weiteren Tag auf dem Boden im Wohnzimmer verweilen müssen. Auch du, Fußleiste unter der Küchenzeile. Wirst noch weiter aufrecht neben dem Apothekerauszug stehen müssen.
Schließlich teilte mir der Radiosprecher aus seinem beheizten Studio heraus mit, dass es nun eine einspurige Verkehrsführung an der Unfallstelle gäbe. Aus drei mach eine. Dass das dauern würde, ließ sich denken. Tat es auch. Also dauern. Irgendwann begann stop-and-go. Langsam. Sehr langsam. Geradezu zäh. Und um 21 Uhr schließlich, passierte ich die Unfallstelle. Viel gelbes und blaues Geblinke und Geblitze und ein zerknautschter LKW. Und dann Schritt die Tachonadel munter auf den dreistelligen Zahlbereich der mit einer ’2′ beginnt, zu. Und verharrte dort so oft es ging.
Das Ende vom Lied war eine Ankunftszeit im Domizil von 22 Uhr. Herrlich.
HR-Online beschied dem Stau um 21:53 Uhr eine Länge von 13 Kilometern. Tendenz: zunehmend. Ich möchte ja nicht wissen wie lange es da noch hakte.