Dr. strg. c

Monday, February 21st, 2011 |  Author:

Die Plagiatsvorwürfe gegen den hochwohlgeborenen Freiherrn sind in aller Munde.
Eins vorweg – ich kann den Mann persönlich nicht leiden. Das hat nur sekundär mit seiner politischen Orientierung und der entsprechenden Parteizugehörigkeit zu tun. Er ist mir einfach unsympathisch.
Trotzdem gilt wie immer zunächst die Unschuldsvermutung. Das tut sie so lange, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Das ist bei so einem Beweis nicht immer einfach. Oft muss auf Informationen zurückgegriffen werden, die Dritte gesammelt, aufbereitet und bereitgestellt haben. Und immer ist hier die Motivation zu hinterfragen. Wie groß ist die Versuchung, da schnell mal was etwas passender zu machen und der gespannten Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Großteil dieser Öffentlichkeit hat sowieso weder Zeit, Lust noch Ressourcen für eine echte Prüfung.

An dieser Stelle hat der Freiherr nun mal fett Pech gehabt. Seine Dissertation ist frei zugänglich. Die mutmaßlich von ihm verwendeten ‘Quellen’ sind es auch. Jeder der einen Browser bedienen kann, kann sich ohne weiteres selber ein Bild machen.

Und dieses Bild ist für den Freiherrn nicht schön. Die Worte stehen da, man muss nur vergleichen. Da bleibt nicht viel Spielraum für weitere Interpretation.

Entsprechend windet sich der Freiherr.
Viele Möglichkeiten gibt es nicht. Und keine lässt ihn gut aussehen.

Ob er selber kopiert und verändert, oder ein Ghostwriter zugeliefert hat – in jedem Fall ist es eine Täuschung. Daran führt wohl kein Weg vorbei.

Die Sache hat mich spontan an Christoph Daum erinnert. Der hatte ein absolut reines Gewissen (von und zu Guttenberg nannte die Plagiatsvorwürfe zunächst “abstrus”), musste dann aber doch angesichts der durch ihn gelieferten Beweise die Waffen strecken (der Freiherr hat bisher mögliche “Fehler” eingestanden, wobei das nach Lage der Dinge wohl als sehr kreativer Euphemismus verstanden werden kann).
Karl Theodor kann sich hier und nun nicht mal auf eine Verschwörung oder sonstwas berufen. Daum hätte noch behaupten können, dass seine Haarprobe auf dem Weg ins Labor vertauscht oder das Ergebnis der Analyse gefälscht wurde.
Jetzt gibt es allerdings keinen Weg ins Labor. Und Analyst kann jeder selber sein.

Es gibt hier keinen Ermessensspielraum. Die Fakten sind auf dem Tisch.

Was nun?
Die Person, die das Amt des Bundesverteidigungsministers bekleidet, ist beschädigt. So ziemlich alles, wofür zu Guttenberg steht, ist kompromittiert. Ehrlich, direkt, authentisch. Der reine Held, in dem wohl schon der nächste Bundeskanzler gesehen wurde.

Kann der Mann länger Bundesverteidigungsminister sein?
Wikipedia sagt: “Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen.”
Heißt: Weder die BILD-Zeitung noch irgendein hasserfüllter Pöbel kann und darf hier entscheiden. Das können und dürfen jetzt nur Frau Merkel und Herr Wulff.
In diesem Kontext: Die BILD-Zeitung hat den Freiherrn bisher nach Kräften unterstützt. Und schweigt das Thema (nach einer Momentaufnahme von bild.de) jetzt eher tot. Es gibt kleine Meldungen die von einer großen pro-Guttenberg-Gruppe bei Facebook und bestenfalls nicht-repräsentativen Umfragen der Bevölkerung (mit Mehrheit für Guttenberg) handeln. Ansonsten passiert glücklicherweise grad genug – man muss um andere Aufmacher nicht verlegen sein.

Kann der Mann noch Bundeskanzler werden?
Ja. Natürlich kann er das. Und hier darf dann wirklich das Volk mitentscheiden. Wir haben de facto eine Demokratie. Und Parteien, die Kanzlerkandidaten im Wahlkampf benennen. Und da ist es möglich, dass jeder Kanzler werden kann, sofern er die Anforderungen erfüllt. Und die sind mit der deutschen Staatsbürgerschaft und der Volljährigkeit recht gering. Davon, dass der Bundeskanzler ohne Fehl und Tadel sein muss, ist nichts bekannt.
Er kann also. Darüber ob er würde, entschiede letztendlich die Mehrheit der Wähler. Die dazu jeweils einen Blick auf ihren moralischen Kompass werfen sollte.
Der ist pro Person ganz individuell justiert und wird hier ganz unterschiedliche Ergebnisse liefern.

Die ganze Sache hat also momentan zwei Stufen mit drei möglichen Ergebnissen.
Er hat abgeschrieben und tritt zurück/wird entlassen.
Er hat abgeschrieben, tritt aber nicht zurück/wird nicht entlassen.
Er hat nicht abgeschrieben und tritt entsprechend auch nicht zurück/wird nicht entlassen.

Für mich persönlich steht anhand des verfügbaren Materials fest, dass er abgeschrieben hat. Oder hat abschreiben lassen, was die Sache nicht besser macht.

Wie da rauskommen?
Das wird schwer, wahrscheinlich unmöglich.
Das Eingeständnis einer Schuld geht natürlich immer, der Zeitpunkt um noch etwas zu retten, ist aber wohl unwiederbringlich vorbei. Man kann Vorwürfe nicht zunächst ‘abstrus’ nennen, sie dann einräumen und trotzdem schadlos bleiben.

Die Union schwimmt aktuell nicht eben auf einer Sympathiewelle. Kann sie sich einen Minister leisten, der das mit dem tarnen und täuschen nicht nur als Anweisung für seine Soldaten auf dem Truppenübungsplatz, sondern auch für sich selber nutzt?
Die nächste Bundestagswahl ist noch weit weg, aber wir haben in diesem Jahr eine Menge andere Wahlen. Landtage, Kreistage, Stadträte, Bürgerschaften.
Kann man da einen der Lüge überführten Minister gebrauchen? Wird der Wähler das nachtragen?
Andererseits kann die Union auf etliche Skandale und Skandälchen zurückblicken, die man erfolgreich hat abperlen lassen. Stichwort Spendenaffären. Das Wahlvieh hatte sich nichts gemerkt und machte dann auf dem Stimmzettel doch wieder das Kreuz bei der Partei, über die man sich am Stammtisch erst noch ereiferte.

Sollte der Freiherr jetzt also nicht aus freien Stücken zurücktreten, wird sich die Kanzlerin sehr gut überlegen müssen, ob sie ihn zurücktritt.
Sie wird abwägen müssen, wie schnell und effektiv man die Sache kleinreden und/oder totschweigen kann.
Und wie viel Vertrauen in die Fähigkeit der Wähler zu vergessen, gesetzt werden kann.

In der jüngeren Geschichte der deutschen Politik hat das oft gut funktioniert.

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Category: irrenhaus

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