London
Thursday, November 12th, 2009 | Author: Christian
Samstag. Abflug: 06:20 Uhr. Ryanair, Frankfurt-Hahn. Der Bezug zu Frankfurt ist ob der Entfernung von mindestens ca. 120 km eine Frechheit. Ähnliches aber allgemein üblich. Schließlich schimpft sich der Zielflughafen auch London-Stansted. Ist aber auch ‘nur’ ca. 60 km von London entfernt. Und verfügt über eine veritable Bahnanbindung. Was man von Frankfurt-Hahn nicht sagen kann.
Egal.
Sicherheitskontrolle. Flüssigkeiten im Plastiktütchen etc. Natürlich die Metallschnalle des Gürtels vergessen und noch mal abgetastet und mit einem Handscanner überprüft worden. Die Gattin hatte zwar ihren Gürtel abgelegt, nicht jedoch ihre Schuhe. Die wiesen in ihrer Eigenschaft als Wanderstiefel allerhand metallene Ösen zur Führung der Schnürsenkel auf und mussten nach Aufforderung abgelegt um dann durchleuchtet zu werden.
Passkontrolle. Die Beamten haben ganz genau hingeschaut. Bei uns nicht so lange, unsere Pässe und entsprechend auch die enthaltenen Fotos sind nagelneu und hatten vor dem Flug nach Kuba quasi ihre Generalprobe. Bei anderen Passagieren gab es längere Wartezeiten und Gespräche.
Dann wurden die Bordkarten von einer Ryanair-Angestellten zwei Mal kontrolliert.
Trotzdem stellten dann kurz vor dem Zutritt zum Rollfeld noch zwei Menschen fest, dass die eigentlich an das Gate nebenan müssten. Weil sie nach Marrakesch wollten. Und nicht nach London. Wie gesagt – zwei Mal wurden die Bordkarten kontrolliert. Vermutlich nur auf bloße Echtheit.
Wie zu erwarten, hatten es außerdem diverse Leute nicht hinbekommen, sich richtig anzustellen. Nämlich nicht in die priority-Schlange weil sie nicht für 3 Euro einen priority-Check-in gebucht hatten. Mir persönlich ist das ja egal und man muss auch nicht einen übersteigerten Ordnungswahn haben – aber wenn andere Leute Geld dafür bezahlen, bevorzugt behandelt zu werden und ich nicht, dann werde ich eben nicht bevorzugt behandelt. Ich hätte das für mich ja auch in Anspruch nehmen können. Und die Tatsache dass eine Menge Menschen ihren Kopf einfach nicht zum nachdenken benutzen, sich einen feuchten Kehricht um ihre Umwelt scheren und deutlich an sie gerichtete Informationen einfach nicht zur Kenntnis nehmen…was soll man da noch sagen.
Marsch übers Rollfeld zum Flugzeug, Schlacht um die Sitzplätze (keine Platzkarten bei Ryanair). Gattin am Fenster, ich in der Mitte, am Gang neben mir eine schwer parfümierte Rumänin. Puh.
Start, Flug, Landung. Unspektakulär. Nach der Landung Fanfaren über Lautsprecher. Und eine Tonbandstimme, dass dies wieder ein überpünktlicher Flug der geilen Fluggesellschaft Ryanair war. In der Tat erfolgte die Landung diverse Minuten vor dem versprochenen Zeitpunkt.
An diese Fanfaren würden wir uns am nächsten Tag noch erinnern. Aber das wussten wir noch nicht.
Bei der Fahrt von der Landebahn zur Park- und Ausstiegsposition kam das Flugzeug an einer Menge anderer Flugzeuge vorbei. Eins nannte mit einer entsprechenden Lackierung seinen Besitzer: Easyjet.
Gattin: “Das ist ein ganz leichtes Flugzeug.”
Nach einem relativ lustlosen Auslesen der Daten aus dem glorreichen e-Pass ging’s mit dem Stansted-Express ab nach London. Liverpool Street. Draußen fast schon schmerzhaft klischeehaftes englisches Wetter. Nebel und Nieselregen wechselten sich ab. In London tröpfelte es dann noch sachte. Das war so angekündigt und wir entsprechend angezogen. Kein Problem.
Fußmarsch am Monument vorbei zur Themse und von dort nach Osten, Richtung Tower.
Pünktlich nach Erwerb zweier Eintrittskarten öffnete der (Tower) dann auch. Am Eingang Taschenkontrolle. Hier: Rucksackkontrolle. Und zwar auf eine derartig nachlässige Art und Weise, dass ich einige Dinge die man wohl eher nicht innerhalb der Mauern des Towers haben wollte, hätte mitbringen können. Aber freundlich waren die beiden taschenkontrollierenden Polizisten. Das muss man sagen.
Rundgang, Besichtigung. Im White Tower, dem Gebäude in Zentrum der ganzen Anlage, gab es grad die Ausstellung “Dressed to kill” zu sehen. Waffen, Rüstungen und ähnlicher Kram aus der Zeit Heinrich des VIII.
Alles noch relativ leer. (Als wir das Gelände später verließen, sah das ganz anders aus. Der frühe Wurm erwürgt den Vogel, oder so.)
Dann weiter zur Tower Bridge.
Auch hier Taschenkontrolle. Ähnlich oberflächlich. Eine Seite der Brücke war wegen Bauarbeiten an selbiger gesperrt. Und mit ihr auch der eigentliche Zugang zum Inneren der Brücke. An dem sich, wenn mich meine Erinnerung an den letzten Besuch nicht trügt, ein Lift befindet. Der alternative Eingang wies nur Treppen auf. Mit einer bedrückenden Anzahl von Stufen.
Von den Fußgängerbrücken gab es dann allerdings einen, trotz des für solche Zwecke nicht ganz so prallen Wetters, ganz guten Ausblick über die Stadt. So weit man eben sehen konnte.
Am anderen Ufer noch das Maschinenhaus der Brücke.
Und ein bisschen Themseufer.
Dann zur Station Tower Hill mit der Tube zum Hotel. Das lag ganz schrecklich zentral – wir konnten sowohl den Buckingham Palace als auch Westminster Abbey (und damit auch Westminster Palace und Big Ben) innerhalb weniger Minuten Fußweg erreichen.
Da das Zimmer noch nicht bezugsfertig war, gab’s zunächst Mittagessen. Nach dem Check-in ins Hotel stand der Buckingham Palace an. Auf dem Vorplatz natürlich diverse Touristen. (Aber gegenüber meinem vorletzten Besuch war es geradezu leer. Damals – 1997 – war ich eine Woche nach dem Tod von Lady Di dort. Vor allen Gebäuden die irgendwie mit der königlichen Familie in einen auch nur entfernten Zusammenhang gebracht werden konnten, fanden sich diverse Kubikmeter abgelegte Blumen und eine ganze Masse Menschen.)
Spaziergang durch den angrenzenden St. James Park, in dem zwei Damen jüngeren Alters sich damit befassten, die in Massen vorkommenden Eichhörnchen zu füttern. Und abwechselnd mit schrillem Kreischen zurücksprangen, wenn einer der Nager ein paar Schritte auf sie Futterspenderinnen zulief.
Dann weiter zu Westminster Abbey, Westminster Palace und Big Ben (und dem dazugehörigen Turm).
Entsprechend der fortschreitenden Uhrzeit begann es dann auch langsam zu dunkeln. Als wir die Tube auf dem Weg zu Harrods dann verließen, war es plötzlich dann schon richtig dunkel.
Was der durch 12.000 Glühlampen illuminierten Fassade des Kaufhauses natürlich zu einem entsprechenden Auftritt verhalf.
Drinnen war’s dann nicht mehr ganz so toll. Wir betraten das Gebäude unbewusst so, dass wir zunächst die Räume der Parfümerie durchqueren mussten. Und wie das bei solchen Einrichtungen ist, roch es. Und zwar bunt. Die Sache wurde durch Angestellte, die an allen Ecken und Enden herumstanden und darauf geierten, potentielle Kunden mit einem Zerstäuber zu eh… bestäuben und sie so zum Kauf zu animieren, nicht verbessert. Ansonsten gibt’s da viele tolle Dinge (auch und gerade in den sogenannten Food Halls) zu tollen Preisen. An uns hat Herr Al-Fayed kein Geld verdient.
Die Tube brachte uns dann mit einem kleinen Abstecher zum Picadilly Circus nochmal zum Westminster Palace.
Abendessen gab es dann in einer spanischen Tapasbar. Inkl. Mojito. Sehr lecker.
Nachdem der Tag bereits um zwei Uhr begonnen hatte, endete er relativ früh im Hotel. Man wird ja nicht jünger. Also…ich nicht.
Sonntagmorgen. Futterjagd. Das gebuchte Hotelzimmer enthielt zunächst kein Frühstück (das war bewusst so gewählt) und 12 Pfund pro Person für das Buffet erschienen uns etwas zu üppig. Die Suche nach einem adäquaten Mahl gestaltete sich allerdings etwas schwierig. Man isst auf der Insel eher Dinge wie Würstchen, Speck und gebackene Bohnen zum Frühstück. Das traf nicht unbedingt unseren Geschmack. Wobei wir allerdings nach langer Suche entnervt aufgaben und die Filiale einer Fastfood-Kette aufsuchten. Da gab’s dann zwar auch ein herzhaftes Frühstück, aber das war inzwischen auch irgendwie egal. Zumal es begonnen hatte, ernsthaft zu regnen.
Es regnete auch noch, als wir später bei Madame Tussauds ankamen. Und uns in die Schlange stellten. Es regnete mehr. Die Schlange war lang. Zwischendrin waren Schilder aufgestellt worden. “Wartezeit ab hier: 2 Stunden.” Und so weiter. Es regnete. Wir trugen wasserdichte Regenjacken mit Kapuzen und ebenso wasserdichte Wanderstiefel. Gepäck im Hotel. Die Leute um uns rum waren eher unvorteilhaft gekleidet. Dünne Stoffjacken, Pullover, kleine Schirme von denen Rinnsale in Handtaschen liefen. Wir haben das alles amüsiert betrachtet.
Innerhalb des Gebäudes wand sich die Schlange noch eine ganze Menge Meter weiter. Auch hier wieder Taschenkontrolle. Und 25 Pfund (kurz unter 30 EUR) Eintritt pro Person.
Die meisten Besucher haben sich dann mit irgendwelchen ‘Stars’ aus Film, Fernsehen und Musik fotografieren lassen. Ich mit Fidel Castro. Bei Asiaten stand der Führer sehr hoch im Kurs. Er selber stand auch. Zwischen Saddam Hussein und Deng Xiaoping. Das war wohl die Ecke des Grauens oder so. Und gleich nebendran: Obama. Hm.
Ich war in dem Laden vor 12 Jahren schon mal drin, hatte aber nicht mehr so die pralle Erinnerung. Jetzt weiß ich wieder, dass 25 Pfund vielleicht ein bisschen zu viel für den Eintritt sind.
Ein letztes Mal zum Hotel, abholen der Rucksäcke. (Das gestaltete sich ein bisschen schwierig, da man sich gedacht hatte, mal eben das halbe U-Bahnnetz abzustellen. Eine Linie komplett, andere teilweise. Großes Kino.
Hotel. Toilette. Es gab Örtlichkeiten für ‘Ladies’ und welche für ‘Gentlemen’. Ich folgte der ‘Gentlemen’-Beschilderung und trat in den Raum ein, der wie in England wohl üblich, Waschbecken, Kabinen und ehem…Pissoirs zusammen enthielt. Von einem der Pissoirs entfernte sich grad ein Gentleman in Anzug und Krawatte. Er hatte, und das ist wohl ein länderübergreifendes Problem, vor bzw. unter dem Pissoir einen veritablen See hinterlassen. Ich suchte schon im Geiste nach der englischen Formel für “Tritt näher, er ist kürzer als du denkst!”, ließ es dann aber doch. Bringt ja alles nichts.
Da wir am Morgen schon ausgecheckt hatten, nahmen wir nur noch unser Gepäck von der Aufbewahrung entgegen und wandten uns nach Osten. Die Tower Bridge sollte es noch mal sein. Bei Dunkelheit und mit daraus folgender Beleuchtung. Unterwegs wollten wir ein Café aufsuchen und die beinahe letzten Pfunde gegen ein bisschen Kaffee und Kuchen eintauschen.
So der Plan. Das war ein guter, einfacher Plan. Er hatte nur ein Problem. Er funktionierte nicht. In Deutschland findet man in einer entsprechend großen Stadt an jeder Ecke zumindest einen Bäcker der auch ein paar Stühle hat und Kaffee und Kuchen offeriert. So etwas wie einen Bäcker gab es schon mal nicht. Nirgendwo. Kein Bäcker. Der Londoner kauft sein Brot abgepackt im Supermarkt. Nicht beim Bäcker. Es gab die unvermeidlichen Starbucks-Filialen. In rauen Mengen. Dort hätte man einen Kaffee bekommen. Und auch überdimensionale Cookies die schon stundenlang und Feuchtigkeit abgebend in einer Vitrine lagen. Wollten wir nicht.
Ansonsten allerhand kleinere und größere Einrichtungen die auf den ersten Blick aussahen als könne man dort Kuchen kriegen. Eine nähere Betrachtung ergab allerdings immer, dass es abseits von Hauptmahlzeiten nur Sandwichs gab.
Nach etlichen Kilometern Suche kapitulierten wir schließlich und begaben uns dann doch in eine, vom Prinzip her an Starbucks erinnernde, Lokalität die tatsächlich eine kleinere Kuchenauswahl im Angebot hatte. Hat sogar ganz gut geschmeckt.
Dann weiter zur Tower Bridge. Die Zeit wurde langsam knapp, die Gattin wollte eigentlich noch St. Pauls Cathedral aufsuchen – das fiel dann schon mal aus. Wir wollten mit dem Flieger kein Risiko eingehen. Und davor stand ja noch die 40-minütige Fahrt mit dem Stansted-Express.
An der Tower Bridge kam dann noch ein bisschen Sekt (Piccolo) zum Einsatz. Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit ist mithin nicht verboten – in öffentlichen Transportmitteln schon.
Mit der Tube dann zum Bahnhof Liverpool Street. Der Liniennetzplan sah an der Station einen Umstieg in eine andere Linie vor. Geht schnell, sollte man meinen. Die Bahnen fahren alle zwei Minuten oder so. Dass die Station zwar diese beiden Bahnlinien irgendwie verbindet, selbige sich allerdings nicht in räumlicher Nähe zueinander befinden, hatten wir nicht auf der Rechnung. Mindestens zehn Minuten Fußweg durch Tunnel, über Roll- und herkömmliche Treppen. Der gewünschte Stansted-Express war natürlich längst weg, aber der nächste (15-Minuten-Takt) tat’s auch.
Flughafen. Sicherheitskontrolle. Diesmal direkt mit der Aufforderung an uns beide, die Schuhe auszuziehen. Kein Signal beim Metalldetektor. Abendessen. Je ein Geflügelburger mit Chips (Pommes). Der Burger trocken wie ein Eimer Sand. Puh.
Als das Gate für unseren Flug auf den Bildschirmen erschien, machten wir uns auf den Weg. Und der war lang. Irgendwie sehr lang.
Es gab dann Gates auf beiden Seiten des, wie der Finger einer Hand von der Flughafenhalle abgehenden, Gebäudes. Unseres enthielt die Gates 40-60 oder so. Auf einer Seite waren die geraden, auf der anderen Seite die ungeraden Nummern. Immer in Abständen von diversen Metern. Immer mit ein paar Sesselreihen und einem Schalter mit Computer vor der Tür zu Treppe und Rollfeld.
Auf den Bildschirmen ging es los mit Gate 44. Also…da sollte der Flug losgehen. Bedeutete: Die Meute sammelte sich vor dem Schalter an Gate 44. Denn: Wer zuerst kommt, sitzt zuerst (im Flugzeug). Es dauerte. Nichts passierte. Lautsprecherdurchsage. Der Flug würde jetzt dann nicht von Gate 44 sondern von Gate 42 starten.
Alle in wilder Hast zum Gate 42. Wer zuerst kommt…
Warten. Nichts passierte. Ryanair-Angestllte kamen und nahmen die Computer am Schalter in Betrieb. Die Zeit verging. Betriebsamkeit. Telefonate. In Anbetracht der Zeit die man für das Boarding und sonstiges Gewürge vor dem tatsächlichen Start des Flugzeuges benötigen würde, konnte der Start schon jetzt nicht mehr planmäßig erfolgen.
Irgendwann eine neue Lautsprecherdurchsage. Der Flug würde jetzt doch vom ursprünglichen Gate, nämlich 44 starten. Alle trampeln wieder zurück, wir sind wie durch ein Wunder immer noch ziemlich vorne in der Schlange. Ryanair-Angestellte nehmen die Computer an Gate 44 in Betrieb und machen noch eine Weile rum. Inzwischen standen an beiden Gates Flugzeuge. Irgendwann wird der Schalter geöffnet und es geht weiter. Hinter der Tür zum Rollfeld verbirgt sich erstmal nicht das Rollfeld, sondern ein zehn Meter langer Gang zu einem Treppenhaus, man befindet sich ja mithin quasi im 1. OG. Dieser Gang wird die nächste Wartestation. Dort stehen wir nochmal gefühlte fünf Stunden (irgendwas um 30 Minuten) rum. Leute setzen sich auf ihr Handgepäck, zynische Witze die Abflugzeuit und Gründe für die Verzögerung betreffend, werden gemacht.
Dann geht es weiter. Treppe runter, übers Rollfeld. Die Schlange teilt sich, das Flugzeug hat ja zwei Eingänge. Wir warten wieder mal. Diesmal draußen. Es ist nicht so richtig warm am ersten November. Nach einer Weile kommen die Flugbegleiter. Sie dürfen das Flugzeug betreten und fangen an, wilde Vorbereitungen zu treffen. Die Kabine wird sauber gemacht (man sieht das durch die Fenster ganz gut), ein voller Müllsack rausgereicht. Dann dürfen wir tatsächlich einsteigen. Halleluja.
Wir starten mit einstündiger Verspätung. Unterwegs werden wir ordentlich durchgerüttelt, die Anschnallzeichen leuchten die meiste Zeit. Ich kann so nicht schlafen.
Landung, keine Fanfaren. Einreisekontrolle. Es regnet ein bisschen und nebelt dann auf der Autobahn ziemlich. Nach ungefähr 48 Stunden sind wir Montag Morgen gegen halb zwei wieder zuhause. Mein Wecker klingelt um sieben. Der Sack.
Bilanz: Viel gesehen, wenig geschlafen und neben Flug und Hotel noch 310 englische Pfund in bar ausgegeben.