ARD-Themenwoche
Die entsprechenden Medien bieten allerlei an ernährungsthematischen Inhalten. Es wird dokumentiert, diskutiert, demonstriert. Journalisten, Moderatoren, Fernsehköche, Interessenvertreter dieser und jener Seite.
Wie der Zufall es wollte, habe ich vor kurzer Zeit in völliger Unkenntnis der anstehenden Themenwoche das soeben erschienene Buch ‘Die Essensfälscher’ von Thilo Bode (foodwatch.de) gelesen.
Der Mann bezieht dort Stellung gegen das, was die Hersteller so alles in die Lebensmittel reintun, aber nicht oder unvollständig draufschreiben.
Der Tatort am Sonntag war eine Auftragsarbeit für die Themenwoche und befasste sich (neben dem obligatorischen Todesfall) mit Lebensmitteln und ihren Zusätzen, danach wurde bei Anne Will und gestern Abend bei Beckmann viel diskutiert.
Hier trafen Vertreter beider Seiten aufeinander und fielen sich mitunter gegenseitig ins Wort, dass es eine Art hatte. Die Herren der Industrie mussten sich so allerhand Vorwürfe anhören und keilten zurück. Jetzt könnte man das Sprichwort mit den getroffenen Hunden bemühen, aber so einfach ist es wohl nicht.
Die Wahrheit liegt, wie immer, wohl irgendwo dazwischen. Und hier muss jeder seine eigene Wahrheit finden. Das ist theoretisch ganz einfach, praktisch aber aufwändig.
Im Tatort ließ man den Vertreter eines großen schweizer Lebensmittelkonzerns (Ähnlichkeiten zu Nestlé vermutlich rein zufällig) sagen, dass die Leute zu viel wollten.
Essen soll billig und gesund sein.
Es soll satt aber nicht dick machen.
Es soll schnell gehen.
Das ginge nur mit Chemie.
Die Chefin einer Molkerei in der ein gelbes Energygetränk hergestellt wird sagt, dass man das Zeug auch weiß (Milch mit den für das ‘Energy’ verantwortlichen Zusätzen) belassen könne, aber dann würde es niemand kaufen. Es müsse schon nach ‘Energie’ aussehen. Deshalb würde man einen gelben Lebensmittelfarbstoff dazuschütten.
Der Verbraucher hat Ansprüche. Billig, gesund, nicht dick machend, etc.
Teilweise soll auch ein Mehrwert, ein Lebensgefühl, was auch immer erworben werden.
Das alles kollidiert mit der Ablehnung von Chemie in den Lebensmitteln.
Wer ein Fertiggericht in der Mikrowelle erwärmt, muss sich darüber im Klaren sein, dass das aus mehr als den sichtbaren Teilen besteht. Und Konservierungsstoffe sind hier noch das kleinste Problem.
Im industriellen Fertigungsprozess ist es mit dem Geschmack nicht so weit her. Deswegen landet auch mal die eine oder andere Schippe Glutamat mit im Kessel. Und dann eben auch auf dem Teller. Dafür geht es schnell.
Kauft man die Lebensmittel so ‘roh’ wie möglich, dauert die Zubereitung länger. Dafür kann man aber ziemlich gut entscheiden, was auf dem Teller landet.
Man hat bei gewissen Dingen die Wahl.
Das Problem sind die Menschen selber. Sie wollen nicht wählen. Sie wollen sich nicht mit Inhaltsstoffen beschäftigen. Sie wollen hier und da nicht mehr bezahlen. Sie wollen nicht in der Küche stehen. Sie wollen nicht selber kochen. Viele können es auch nicht. Und haben kein aktives Interesse, das alles zu ändern.
Letzten Sonntag war Tim Mälzer beim hr1-talk. (Podcast der Sendung)
Und der beschrieb seine Einstellung zu seiner Kochsendung in der ARD mit dem Ziel, Leute irgendwie zu aktivieren.
Dass sie etwas tun. Sie müssten gar nicht seine Rezepte nachkochen oder seine Bücher kaufen, das wäre völlig egal.
So eine Aussage lässt sich natürlich nur aus einer gesicherten wirtschaftlichen Lage heraus machen. Und ganz sicher ist ihm nicht völlig egal wie viele Leute seine Kochbücher kaufen.
Aber der Inhalt der Aussage stimmt schon.
Die Leute sollen ihren Arsch hoch kriegen. Man muss gar nicht im ersten Schritt selber kochen.
Es beginnt schon damit dass man einfach mal liest, was in dem Kram den man da in den Einkaufswagen legen will, so alles drin ist.
In ‘Die Essensfälscher’ von Bode findet sich die Anregung, auf Dinge zu verzichten, die mehr als 5 Zutaten enthalten.
Oder generell nichts zu sich zu nehmen, was die Vorfahren vor hundert Jahren nicht auch als ‘Lebensmittel’ bezeichnet hätten.
Man kann über diese beiden Ansätze streiten. Und wohl auch an ihrer Realisierbarkeit zweifeln.
Die überwältigende Mehrheit der irgendwie zubereiteten Lebensmittel enthält heute so viel Kram, dass einem beim Lesen der Zutatenliste schlecht werden könnte. Wenn man denn wüsste was die ganzen Namen dort bedeuten. Was da wirklich drin ist.
Aber so lässt sich anfangen. Lesen was drin ist.
Und sich ein bisschen fragen, ob Uroma das essen würde. Würde sie? Super. Kaufen.
Würde sie nicht, weil sie noch nie von Mononatriumglutamat, Fumarsäure oder Phenylalanin gehört hat? Dann vielleicht nicht.
Oder wäre sie vielleicht sogar empört dass es Leute gibt, die fertiges Salatdressing aus zwölf Zutaten (davon zwei Drittel mit obskuren unbekannten Namen) kaufen obwohl man sowas aus Öl, Essig, Zitronensaft, Pfeffer und Salz selber macht?
Wenn man sich dann ein ums andere Mal über die Zutaten die in den banalsten Sachen stecken erschreckt hat, sieht man das Angebot vielleicht mit anderen Augen.
Leider ist die Sache damit nicht ausgestanden. Vor einer kleinen Weile ist das böse Glutamat allgemein bekannt und dämonisiert worden. Als das Medienecho zu laut und die Zutat als solche allgemein verdammt wurde, verabschiedete sich so mancher Hersteller von ihr und der böse Name stand nicht mehr in der Zutatenliste.
Allerdings durfte der sich Geschmack für den verwöhnten Verbraucher nicht ändern.
Jetzt steht oft ‘Hefeextrakt’ dabei. Das klingt schön normal. Hefe ist natürlich, will man meinen. Und Hefeextrakt…das ist eben ein Teil der Hefe. Super.
An dieser Stelle lässt sich aber mit einfachsten Mitteln ergründen was das denn nun ist.
Wikipedia sagt:
Autolysierte Hefe ist auch eine primäre Quelle für Mononatriumglutamat für die Nahrungsmittelindustrie. Da Hefeextrakt freies Glutamat nicht in isolierter Form enthält, besitzt es keine E-Nummer und gilt nach Gesetz nicht als Geschmacksverstärker. Daher können auch Produkte die als „frei von Geschmacksverstärkern“ gekennzeichnet sind, Glutamat enthalten (in Form von Hefeextrakt).
Es hilft also nicht dass man einmal festgestellt hat, dass von den bösen Dingen die man kennt, nichts mehr als Zutat auf einem Produkt genannt ist. Denn es gibt immer wieder andere böse Dinge. Oder die gleichen erhalten andere Namen.
Lesen, informieren, stehen lassen. Immer wieder.
Und dann als Nächstes: Selber kochen. Kein 5-Gänge-Menü aber vielleicht mehr als Kartoffelbrei aus der Tüte und Fischstäbchen.
Kartoffelbrei kann man beispielsweise mit relativ wenig Aufwand selber machen. Dazu braucht es keine exotischen Zutaten und keine komplizierte Zubereitungsmethode.
Einfache Dinge für die man einfache Zutaten benötigt.
Zutaten, die ihrerseits nur aus sich selber oder überschaubaren Dingen bestehen.
Niemand muss gleich zum in Leinen gekleideten Bio-Fanatiker werden. Und man muss (und kann) auch nicht völlig auf industriell hergestellte Lebensmittel (-zusätze) verzichten.
Aber so einen Anfang kann man ruhig mal wagen.